Kenne deine Wild Boyz
Wer mit den wilden Hefen und Bakterien brauen möchte, sollte diese auch kennen. Wissen wie sie arbeiten und wie sie funktionieren. Wie du eine Saccharomyces händeln sollst, weißt du ja. Hier die wichtigsten wilden Boyz im kurzen Überblick:
Brettanomyces
Brettanomyces ist die wichtigste wilde Hefe bei der Herstellung von Sauerbier. Brett ist eine Hefegattung, genau wie Suaccaromyces, und keine Bakterie.
Brett macht Biere auch nicht wirklich saurer. Dafür sind die Bakterien verantwortlich. Die einzige Ausnahme: wenn zu viel Sauerstoff zur Verfügung steht, produziert Brett Essigsäure.
Die Hauptaufgabe von Brett bei der Gärung von Sauerbier ist die Vergärung von Dextrinen, der langkettige Zucker den die Sacc nicht packt. Bei Gärung erzeugt Brett dann fruchtige Easter und würzige, Funky und rauchige Phenole. Die Bandbreit der Aromastoffe die Brett produzieren kann ist echt krass. Gewünschte Aromen sind: Ananas, Heu, Apfel und Birne und in geringen Mengen Pferdedecke, Stall. Gehasst dagegen: beißender Rauch, Pflaster und Kacke. Die erzeugten Geschmacksrichtungen hängen hauptsächlich vom Stamm ab. Die gewöhnlichen Brett-Arten haben eine Vielfalt, die mit der von Sacc gleich zu setzen ist. Zum brauen konzentrieren wir uns auf die B. anomalus (Brett claussenii) und die Brett bruxellensis (Brett lambicus).
Die Aromen die Brett produziert werden auch von den Säuren und dem Alkoholen beeinflusst. Milchsäure ist ein besonders wichtiger Bestandteil bei der Veresterung, durch Sie wird die Produktion von fruchtig riechendem Ethyllactat ermöglicht. Viele Fettsäuren mit Off-Flavors werden in Kombination mit Ethanol zu geilen fruchtigen Estern. Mach dir also keine Sorgen, wenn dein saures Bier während der Gärung seltsame Aromen aufweist, da die Brett die verantwortlichen Moleküle weiterhin verändern wird. Mit einer höheren Milchsäurekonzentration wird jedoch die Produktion von Estern wie Ethylcaproat und Ethylcaprylat (die beide tropische Ananasaromen haben) reduziert und die Produktion von Ethylacetat (das nach Nagellackentferner riecht) erhöht. Um höhere Konzentrationen der geilen Ester zu erhalten, solltest du ein Bier brauen, das nicht übermäßig sauer ist.
Lactobazillus
Es gibt zwei Bakteriengattungen, Lactobacillus und Pediococcus, die für die Milchsäureproduktion im Bier verantwortlich sind. Lacto kann schnell Milchsäure produzieren, ohne großartig andere Aromen beizusteuern. Er benötigt kein Sauerstoff, wird aber auch nicht durch ihn beeinträchtigt. Das heißt er ist aerotolerant. Lacto gedeiht und arbeitet schnell bei Temperaturen zwischen 38 und 49 °C. Unter ca.13 °C passiert nichts mehr.
Ausreichend Ibus hemmen den Lacto, sodass über den Einsatz von Hopfen wenig bis keine Säure eingestellt werden kann. 8 Ibus reichen, um die meisten handelsüblichen Lacto-Stämme zu hemmen. Wilde Vertreter benötigen etwas mehr. Lacto ist vielfältig und einzelne Arten oder Stämme können atypische Eigenschaften aufweisen. Es gibt beispielsweise Arten wie L. brevis, die mehr Hopfen vertragen als andere. Einige Stämme von L. brevis und L. delbrueckii können auch das Dextrin reduzierende Enzym Alpha-Glucosidase produzieren, genau wie Brett. Während die von Brauhefelaboren vertriebenen Lacto-Stämme eher alkoholintolerant sind, können einige Stämme Biere mit über 10 % ABV säuern.
Die größte Sorge beim Säuern mit Lacto ist, dass er den pH-Wert zu schnell senken kann, was zu einer ungesunden Primärgärung führt. Einer der Hauptgründe, warum belgische Lambic-Brauer dem Kochen eine große Menge gealterten Hopfens hinzufügen, ist, zu verhindern, dass Lacto die langsam abgekühlte Würze säuert, bevor die Hefe die Chance hat, sich zu etablieren.
Es gibt zwei allgemeine Kategorien von Lacto: homefermentativ und heterofermentativ. Homefermentative Stämme erzeugen nur Milchsäure ohne andere Nebenprodukte. Heterofermentative Stämme erzeugen neben Milchsäure auch andere Verbindungen, normalerweise einschließlich CO² und Ethanol. Heterofermentative Stämme können sogar mit guten Ergebnissen für die Primärgärung in Bieren mit niedrigem Alkoholgehalt verwendet werden, wie zum Beispiel Berliner Weiße.
Die meisten Lacto Stämme können den pH-Wert auf etwa 3,3-3,4 senken, was zu einem wirklich sauren Bier führt. Danach wird es selbst dem Lacto zu sauer. Pedio hingegen kann den pH noch tiefer senken. Ist aber nicht so schnell wie Lacto. Ich würde die Säure von Lacto etwas milder und nicht so kantig wie die von Pedio erzeugte Säure beschreiben.
Welcher Lacto Stamm für die dich und dein Bier das beste ist hängt von der Hopfen- und Alkoholtoleranz, der Hetero- oder Homöfermentnatur und der Fähigkeit zum Stoffwechsel bestimmter Zucker ab. Einfach in einer kleine Versuchsreihe mit mehreren Starter testen. Ich mach das mal und den Link zum versuch findest du dann hier (kommt noch).
Pediococcus
Pediococcus ist das andere häufige Milchsäurebakterium, das unser Bier sauer macht. Obwohl Pedio länger als Lacto braucht, um ein Bier säuern zu lassen, ist es sowohl hopfen- als auch säuretoleranter und kann stark säuerliche Biere mit einem pH-Wert unter 3,0 produzieren.
Pedio braucht zum Teil Monate um den pH-Wert des Biers deutlich zu senken. Dieses langsame Tempo ist das große Plus vom Pedio, da es dem primären Hefestamm Zeit gibt, seine Gärung abzuschließen, bevor der pH-Wert deutlich sinkt.
Der Nachteil von Pedio ist, dass die meisten Stämme Konzentrationen von Diacetyl über der Geschmacksschwelle produzieren. Pedio reduziert Diacetyl nicht enzymatisch, wie es die meisten Brauhefen tun, stattdessen bleibt das butterartige Aroma. Die einzige Lösung ist Brett. Was auch sonst. Brett hilf immer! Fast. Brett übernimmt für den Pedio die Aufgabe Diacetyl zu eliminieren. Dieser Prozess dauert sehr lange, also keine Bange, wenn dein Sauerbier im frühen Stadium nach Butter schmeckt.
Pedio ist mikroaerophil, was bedeutet, dass er Sauerstoff zum Überleben benötigt, allerdings in einer geringeren Konzentration. Der Säurecharakter von Pedio empfinden viele als aggressiver und schärfer als den von Lacto. Dies könnte entweder an dem durch Pedio erzeugten niedrigeren pH-Wert oder an der unterschwelligen Präsenz von Essigsäure liegen. Die Essigsäure stammt von der Brett, die in mit Lacto und Pedio gesäuertem Bier häufig zu finden ist.
Was Pedio genau verzehren kann, hängt stark vom Stamm ab. Einige Stämme verstoffwechseln Maltose und Saccharose, und die meisten Stämme fermentieren Fruktose, Galatose und Glukose zu DL-Laktat. Andererseits kann P. dextrinicus (ursprünglich P. cerevisiae sp. dextrinicus), der häufig in Bier, Bierflaschen, Silage und Treber vorkommt, Kohlenhydrate bis hin zu Stärke hydrolysieren. Da Pediococcus am aktivsten ist, nachdem die einfachen Zucker in der Würze verbraucht sind, sollten die zum Brauen verwendeten Stämme in der Lage sein, komplexe Kohlenhydrate zu fermentieren.
Nur einige Pedio-Stämme verursachen bei alterndem Bier einen Zustand, der gemeinhin als Zähigkeit bezeichnet wird und das Ergebnis ihrer Produktion von Exopolysacchariden ist. Das Ergebnis ist, dass das Bier zähflüssig, sirupartig und schleimig ist. Exopolysaccharide werden hauptsächlich während der bakteriellen Wachstumsphase produziert, wobei die Produktion bei 12 °C höher ist als bei 25 °C und bei höheren Glukose- und Stickstoffkonzentrationen. Einige Arten von Lactos können ebenfalls Exopolysaccharide produzieren, obwohl dies bei den Arten, die zur Herstellung von Sauerbier verwendet werden, relativ selten ist. Brett baut die Exopolysaccharide ab und kann sie auch fermentieren. Ein weiterer Grund Brett zu verwenden. Brett hilft fast immer. Normalerweise dauert es nur ein paar Wochen, bis die Viskosität wieder normal ist. Kann also passieren, dass du gar nicht mitbekommst das dein Bier zäh war. Wenn doch, einfach etwas warten. Die Brett macht das schon.
Acetobacter
Die Aktivität von Aceto wird bei der Gärung der meisten sauren Biere auf ein Minimum beschränkt, da es Ethanol verbraucht und dabei harsch schmeckende Essigsäure produziert. Diese Bakterien benötigen eine stetige Sauerstoffzufuhr, um die oxidative Gärung durchzuführen, bei der Ethanol in Essigsäure umgewandelt wird. Aceto wird normalerweise durch die Luft übertragen, sodass es sich selbst dann leicht in Fässern festsetzt, wenn kein Aceto zugegeben wird, die mehrere Tage leer stehen, bevor sie wieder befüllt werden.
Aceto wird zu Beginn der Gärung nicht viel bewirken, da der Überdruck aufgrund der Kohlendioxidproduktion verhindert, dass Sauerstoff mit dem Bier in Kontakt kommt. Nach der Hauptgärung kann Sauerstoff durch den Druckmangel in den Gärbehälter eindringen. Dies kann durch das Holz des Fasses, eine defekte Dichtung oder einen leeren Luftverschluss geschehen. Also immer ein Blick auf eure Glärglocke haben.
Aceto bevorzugt warme Temperaturen, daher ist die Kontrolle der Alterungstemperatur von im Fass gereiften Sauerbieren besonders wichtig. Bei Temperaturen innerhalb des idealen Wachstumsbereichs von Acetobacter aceti von 25-30 °C und mit Zugang zu Sauerstoff kann sich innerhalb weniger Tage ein unangenehmer Essiggeschmack entwickeln. Bei Kellertemperaturen mit uneingeschränktem Zugang zu Sauerstoff kann ein Bier innerhalb weniger Wochen immer noch unangenehm säuerlich werden.
Ein niedriger Essigsäuregehalt ist ein wichtiger Geschmacksbestandteil traditioneller flämischer Rotbiere und in geringerem Maße auch belgischer Lambics. Wenn du Bock auf ein bisschen Essiggeschmack in deinem Bier, hau etwas nicht pasteurisierten Essigs (der lebende Acebacter enthält) hinzu, wenn du deine Mischkultur pitched. Wenn dieser Aceto in deinem Bier ist, reicht der Sauerstoff, der durch den Fermenter dringt oder beim Entfernen des Spunds eindringt, aus, um eine merkliche Essigsäureschärfe zu erzeugen. Einfacher und genauer kannst du aber auch beim Abfüllen mit hausgemachtem (oder handelsüblichem) Malzessig in die Flasche geben. Vorher das Mischverhältnis austüfteln und tadaaa dein flämisches Rotbier ist sehr authentisch.
Abgesehen vom Geschmack (wenn nicht gewünscht) besteht die Sorge bei Essigsäure darin, dass Brett aus Essigsäure und Ethanol Ethylacetat (ein Ester) bilden kann. Ethylacetat riecht in geringen Mengen nach Birne, erinnert in übermäßigen Mengen jedoch schnell an Nagellackentferner-Lösungsmittel.